Das Morraspiel

Die heitere Darstellung eines Morraspiels im Freien, lässt den Betrachter eine italienische Stimmung verspüren. Dabei versammeln sich in dieser Gartenszene, sieben sichtbare Figuren um einen Tisch, welcher neben einem begrünten, nach oben offenem Holzpavillon steht.

Das Morraspiel

ca. 1622
Öl auf Leinwand, 75,5 x 55,9 cm
Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Schloss Wilhelmshöhe

Allgemeines zum Bild:

Klessmann ordnet das nicht datierte Werk, durch die stilistischen Merkmale welche der italienischen Malerei näher kommen und den immer noch vorhandenen Anklang an niederländische Traditionen, eindeutig den venezianischen Jahren des Malers zu. Besonders ersichtlich ist dabei die vertikale Komposition des Werkes, diese ähnelt wie sein ebenfalls vertikal komponiertes Werk Der Verlorene Sohn (Wien), den stark vertikal strukturierten Werken Domenico Fettis. Die helle und leuchtende Farbkraft ist ebenfalls eine weitere Beobachtung, welche den Einfluss der venezianischen Kunst auf die Malweise von Liss deutlich werden lässt. Thematisch ist das Werk eine Symbiose der italienischen Kultur,

welche sich beim Betrachten der Skizzen und weiteren Fassungen dieses Werkes, als Hintergrund und Handlungsstrang für eine niederländische Auffassung solcher dargestellten Vergnügungen herausstellt. Dabei handelt es sich bei dem im Werk abgebildete Morraspiel, welches in mediterranen Kreisen seit der Antike dokumentiert ist, um ein volkstümlichen Zeitvertreib, in dem die Spieler Zahlen ausrufen und mit der Anzahl von den Spielern gleichzeitig ausgestreckten Fingern verglichen wird. Der Gewinner des Spieles ist dabei der Spieler, bei dem die Anzahl von erratenen ausgerufenen Zahlen am häufigsten mit den an den Fingern abgezählten Zahlen übereinstimmt.

Details

Vergleichswerke

(Vermutlich) Johann Liss, Das Morraspiel, undatiert, Öl auf Leinwand, 74 x 102 cm, Buenos Aires, Privatbesitz (keine Abbildung vorhanden)

Ein weiteres Gemälde Liss’, stellt die Morraspieler als Figuren in einer nächtlichen Interieurszene dar. Steinbart argumentiert hierbei damit, dass Liss für dieses Werk Vorkenntnisse über die niederländischen Caravaggisten in Rom haben musste.² Diese Zuschreibung lehnt Klessmann jedoch ab, da sich Liss‘ Werk, falls es in Rom entstanden wäre, nicht nur durch das gedimmte Licht der Fackel ähneln würde, sondern auch stilistisch Einflüsse der Caravaggisten aufzeigen würde. Dahingegen deutet Klessman diese Kellerszene als “erste verlorene Gemäldefassung von Liss zu diesem Thema”³, da dieses Einzelheiten sowohl mit dem fertigen Gemälde aus Kassel als auch mit dem Kreideentwurf teilt.

Johann Liss, Das Morraspiel (Skizze), undatiert, Kreidezeichnung, 224 x 342 mm, Kassel, Staatliche Kunst-sammlung

Anhand der in Kassel erhaltenen Entwurfszeichnung des Morraspiels erkennt man, dass dieses Gemälde ursprünglich im Querformat geplant wurde. Dieser breitere Zuschnitt der Szene würde der Tradition ähnlicher niederländischer Kompositionen folgen. Das endgültige Hochformat des Kassler Gemäldes deutet Klessmann als eine Parallele zu Fettis Werken, welche durch das schmalere Format das zentrale Motiv der Figurengruppe betont. Durch das Zuschneiden sind ebenfalls einige Figuren, welche eine Wirtshaus ähnliche Stimmung aufkommen lassen, außerhalb des Bildrandes gelassen worden. Besonders die auffällige Figur, welche ein Tablet in die Bildszene hineinzutragen scheint, ähnelt einer sich ebenfalls am rechten Bildrand zu sehenden Figur in Liss späteren Werk Der Verlorene Sohn aus Nürnberg. Das weglassen einer Vielzahl an Figuren, welche dem Bild eine viel stärker aufgewühlte und schon fast ins chaotisch kippende, Stimmung verleihen würden, verhalf dem fertigen Gemälde eine entspanntere Atmosphäre zu erlangen, welche sich durch die in den gebeugten Ästen angedeutete Brise aufgelockert und bewegt wird.


Jan van de Velde (II). Verkeerden yver, undatiert, Druck, 216 x 269 mm, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen

Des Weiteren wird durch die nächtliche Darstellung einer solchen Szene wieder einmal Liss’ Bezug nach Holland deutlich, dabei zählten solche Aktivitäten wie “Tricktrack- und Kartenspiele zu den sündhaften Vergnügungen, für welche die Kavaliere mit ihren Damen die Dunkelheit schätzen” wie ebenfalls in vielen zur damaligen Zeit weit verbreiteten Stichen zu sehen ist. Liss verbindet hierbei das südliche Morraspiel als Handlungsstrang mit der niederländischen Tradition und dem calvinistischen Verständnis, welche die Nacht als Zeit böser Versuchungen verstand. Mit dem Überarbeiten der nächtlichen Keller- in eine helle Gartenszene, versuchte Liss möglicherweise das Thema als entschärfte Version für die venezianischen Käufer interessanter zu gestalten.

 


Autor: Amadeus Tkocz

Endnoten
¹ Klessmann 1975, S.81
² Steinbart 1940, S.62
³ Klessmann 1999, S.46
 Ebd., S. 46
 Ebd., S. 46
 Ebd., S. 46

Bibliographie

KLESSMANN, Rüdiger (Hrsg.). Johann Liss. Ausstellung unter dem Protektorat der Präsidentin des Deutschen Bundestages Frau Annemarie Renger und des International Council of Museums. Ausst-Katalog. Augsburg 1975.

KLESSMANN, Rüdiger. Johann Liss. Eine Monographie mit kritischem Oeuvrekatalog, Doornspijk 1999.

STEINBART, Kurt. Johann Liss. der Maler aus Holstein. Berlin 1940.