Venus und Adonis

Das in Rom entstandene Gemälde von Johann Liss zeigt eine mythologische Szene in einer Waldlandschaft eingebettet. Bei der Szene handelt es sich um die Rückkehr des Adonis zu Venus in den Himmel. Mit seiner Rückkehr aus der Unterwelt von Prosperina zurück in die Oberwelt in das Reich der Venus beginnt der Sommer.

Venus und Adonis / Die Rückkehr des Adonis

um 1625
Öl auf Leinwand, 80 cm x 98 cm
Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle

Allgemeines zum Bild:

Johann Liss’ Gemälde „Die Rückkehr des Adonis” befand sich bis 1941 in italienischen Sammlungen in Venedig und Rom, wo es lange Zeit Peter Paul Rubens zugeschrieben war. Erst 1933 gab Hermann Voss dem Bild seine richtige Zuschreibung zurück. Seit 1941 befindet sich das Bild auf deutschem Boden. Heute hängt es in der Kunsthalle in Karlsruhe. Stilistisch erinnert es an die Gemälde „Der Sturz des Phaeton” und „Die badenden Nymphen” von Liss und wird deshalb der römischen Schaffensperiode des Künstlers zugeordnet. Die genaue Datierung ist nicht bekannt, vermutlich ist es vor oder um 1625 in Rom entstanden. Das Bild trägt die Titel „Venus und Adonis” und „Die Rückkehr des Adonis”. In der Forschung wurden Thema und Titel diskutiert. Eine Diagonale teilt die düstere Waldlandschaft von der Seelandschaft mit blauen Himmel. Die entblößte und schlafenden Venus am linken Bildrand ist kurz davor, von Adonis geküsst und umarmt zu werden.

Auch ihr Sohn Amor schläft, während ihm eine Gruppe von Putti seine Pfeile stehlen. Im See tanzen die drei Grazien zu der Musik eines Satyr. Das Licht kommt von oben und betont das helle Inkarnat der Göttin. Ovid erzählt in seinen Metamorphosen die Liebesgeschichte von Venus und dem sterblichen Jäger namens Adonis. Der Jüngling wird normalerweise aufbruchsbereit mit Hirtenstab und Hunden dargestellt, während Venus versucht ihn von der Jagd abzuhalten. Klessmann erkannte 1999 den Zusammenhang der dargestellten Szene zum Adonis-Mythos, in dem Adonis aus dem Reich der Unterwelt von Proserpina zu Venus zurück in den Himmel kehrt. Mit seiner Rückkehr beginnt der Sommer und alles fängt an zu erwachen und zu blühen. Sein Wechseln aus der Unter- und Oberwelt verkörpert den Vegetationszyklus in der Natur. 

Details

Vergleichswerke

Cornelius van Poelenburgh, Landschaft mit Nymphen and Satyren, 1620er-Jahre , Öl auf Kupfer, 24,1 × 30,4 cm, Warschau, Nationalmuseum in Warschau

Die dargestellte Landschaft spricht laut Klessmann für eine Anlehnung an Cornelis van Poelenburgh. Dieser hielt sich bereits ab 1617 in Rom auf und bildete sich dort unter Einfluss Adam Elsheimers weiter. Es ist eine enge Beziehung zwischen Liss und Poelenburgh anzunehmen, da beide Künstler in der Künstlervereinigung in Rom waren. Liss arbeitet durch den Einfluss von Elsheimer und Poelenburgh an seinen Landschaftsdarstellungen. 


„Apollo und Koronis/Procris und Cephalus“, Öl auf Kupfer, 17,4 x 21,6 cm, Liverpool, Walker Art Gallery

Um besonders detailreich zu malen wählte Johann Liss die Arbeitstechnik Öl auf Kupfer. Spezialisiert auf diese Technik war der in Rom lebende deutsche Künstler Adam Elsheimer. Als Liss ca. 1622 nach Rom kam, war Elsheimer bereits 1610 verstorben. Seine Werke lernte er dennoch in Rom kennen und schaute sich seine präzise Maltechnik mit Öl auf Kupfer ab. Auch übernimmt er die diagonal abfallenden Landschaften aus Elsheimers Kompositionen. Für „Die Rückkehr des Adonis” ziehen Steinbart und Klessmann Elsheimers „Apollo und Koronis/Procris und Cephalus“ (Öl auf Kupfer, 17,4 x 21,6 cm, Liverpool, Walker Art Gallery) heran. Besonders ähneln sich der nackte Frauenakt am linken Bildrand und die Inszenierung der Landschaft. 


Venusfest, Tizian, Öl auf Leinwand, 172 x 175 cm, Madrid, Museo del Prado

Johann Liss bediente sich auch italienischen Vorbildern. Klessmann nennt als mögliche Inspirationsquelle für die Gruppe der spielenden Putti im Vordergrund das „Venusfest” (1518-1520, Prado, Madrid) von Tizian. Für den nackten Frauenkörper zieht er wiederum „Die Andrier” (1523 - 1526, Prado, Madrid), ebenfalls ein berühmtes Werk von Tizian herbei. Beide Gemälde Tizians befanden sich bis 1638 im Palazzo Ludovisi in Rom, wo Johann Liss sie gesehen haben könnte. 


Exkurs

Der Adonis-Mythos

Wie Klessmann 1999 erkannte, knüpft Liss auf den antiken Adonis-Mythos an. Venus und ihr Sohn schlafen, während Adonis nach seinem Tod von Prosperina aus der Unterwelt zu Venus in den Himmel zurückkehrt. Mit seiner Rückkehr in den Himmel beginnt der Frühling. Der Mythos geht auf den syrischen Philosophen Porphyrius zurück und dieser wird um 400 n. Chr. von dem römischen Schriftsteller Macrobius in seinem Saturnalia behandelt, insbesondere unter kosmologischen Aspekt. 

Proserpina, die Göttin der Unterwelt, verliebt sich ebenfalls in Adonis und deshalb entscheidet Zeus, dass der schöne Jüngling ein Drittel des Jahres bei Aphrodite/Venus, ein Drittel bei Persephone/Prosperina und das letzte Drittel nach seiner Wahl verbringen darf. Dieser Wechsel von Oberwelt und Unterwelt wird beim Adonis-Kult mit dem Vegetationszyklus verglichen. Adonis Einzug bedeutet Erwachen, Wachsen und Blühen in der Natur, dies erklärt Karel van Mander in seinem „Wtlegghinge op den Metamorphosis / Schilder-Boeck“, veröffentlich 1604 in Haarlem. Liss wird schon in Haarlem durch van Manders Burch den Stoff gekannt haben. Auch in Rom wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts die von Macrobius überlieferte kosmologische Variante des Adonis-Mythos lebhaft diskutiert. Johann Liss zeigt uns mit seiner Rückkehr des Adonis wiederholt ein persönliches Interesse für Individualität. Er interessierte sich für Stoff, der in der Malerei wenig Beachtung gefunden hatte, beispielsweise die Wahl des Adonis-Mythos. Was erhoffte sich Liss durch die Wahl des Adonis-Mythos als literarische Inspirationsquelle? Eine Anregung auf Diskussion?

Autorin: Marta Rother

Bibliographie

Steinbart, Kurt, Johann Liss. Der Maler aus Holstein, Berlin, 1940.

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hrsg.); Bearb. Lauts, Jan, Neuerwerbungen Alter Meister 1966 – 1972, Karlsruhe 1973 

Klessmann, Rüdiger, Johann Liss: Ausstellung unter dem Protektorat der Präsidentin des Deutschen Bundestages Frau Annemarie Renger und des International Council of Museums (ICOM); [Augsburg, im Rathaus vom 2. August – 2. November 1975; Johann Liss Exhibition in the Cleveland Museum of Art, 17. Dezember 1975 – 7. März 1976], Augsburg 1975

Lüdke, Dietmar; Reising, Gert; Simons-Kockel, Katrin, Ausgewählte Werke der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. 150 Gemälde, Stuttgart 1988

Klessmann, Rüdiger, Johann Liss. Eine Monographie mit kritischem Œuvrekatalog, Doornspijk, 1999a