Badende Nymphen

In diesem, in Liss’ römischer Periode entstanden Bild sind nur auf den ersten Blick ein paar badende Frauen zu sehen. Hermes im Hintergrund deutet auf ein mythologisches Thema hin, das bis heute nicht ganz entschlüsselt ist.

Badende Nymphen/Salmacis und Hermaphrodit

um/nach 1625, Öl auf Leinwand, 104,5 x 95 cm

Augsburg, Städtische Kunstsammlungen

Allgemeines zum Bild:

Johann Liss‘ Gemälde “Badende Nymphen” ist in der Forschung viel diskutiert worden. Datiert wird es in Liss’ römische Periode, ungefähr auf das Jahr 1625. Wie die meisten von Liss’ Gemälden ist es mit Öl auf Leinwand gemalt und befindet sich heute in den Städtischen Kunstsammlungen der Stadt Augsburg. Das heute als Hochformat empfundene Bild hatte ursprünglich Maße von ca. 104,5 x 145 cm und wurde später beschnitten, sodass etwa ein Drittel des Bildes auf der linken Seite fehlt.¹ Eingebettet in eine urwüchsige Waldszene sind mehrere Personen dargestellt. Auf der rechten Seite sind zunächst mehrere Nymphen erkennbar, die in einem Wasserlauf baden. 

Sie sind nackt dargestellt, eine blickt aus dem Bild heraus und verdeckt vornüber gebeugt ihre Scham. Auf der linken Bildseite liegt auf Tüchern eine schlafende Person, deren linke Seite und Geschlecht von einem Tuch verdeckt sind. Dahinter sind zwischen den Bäumen Hermes und zwei Satyrn sichtbar. Wie Steinbart schon in den 50er Jahren feststellte und Klessmann dann in seinem Ausstellungskatalog 1975 wiederholt, kann man den heute nicht mehr erhaltenen Teil des Gemäldes mithilfe einer Zeichnung von Aegidius Sadeler nachvollziehen.² Das Thema des Bildes bleibt zunächst offen. Klessmann schlägt eine Deutung als “Salmacis und Hermaphrodit” vor, die jedoch nicht sicher verifiziert werden kann.³ Auch andere mythologische Themen sind vorstellbar.

Details

Vergleichswerke

Aegidius Sadeler, Nymphen beobachtet von Merkur und zwei Satyrn, 17. Jh., lavierte Federzeichnung, 35,7 x 47, 1 cm, Musée du Louvre, Paris

Das Gemälde von Johann Liss lässt sich in größerer Klarheit betrachten, zieht man eine Zeichnung von Aegidius Sadeler hinzu. Die sich heute im Louvre befindende Zeichnung (35,7 x 47,1 cm) zeigt den heute verlorenen Teil des Bildes auf der linken Seite und lässt auch den Hintergrund deutlicher werden. Die genaue Datierung der Zeichnung ist unklar, vermutlich ist sie aber nach dem Gemälde entstanden. Sadeler hat sie möglicherweise als Vorbild für Drucke angefertigt, die Liss Gemälde reproduzieren sollten. Neben einigen Schafen im Hintergrund ist auf ihr eine weitere Figur zu sehen, die auf dem Gemälde nicht mehr erhalten ist. Am linken Rand räkelt sich eine weitere Nymphe auf einem mit Tüchern bedeckten Bett vor Bäumen. Zur Klärung der Ikonographie des Bildes kann die Zeichnung allerdings nicht dienen. Sie macht vielmehr deutlich, dass Liss wohl noch zu Lebzeiten rezipiert und seine Kompositionen und Ideen in Stichen und Zeichnungen weiterverbreitet wurden. 

Lodovico Carracci, Salmacis und Hermaphrodit, Anfang 17. Jh., Öl auf Leinwand, 114,3 x 151,8 cm, Privatbesitz

Johann Liss wählt, folgt man Klessmanns Deutung des Gemäldes, eine ungewöhnliche Szene der Metamorphosen Ovids, die nicht häufig abgebildet wurde. Im Gegensatz zu populären Themen wie “Diana im Bade” nimmt sich Liss hier eines Nischenthemas an, dass ihn allerdings mit einigen Künstlern seiner Zeit in Verbindung bringt. Klessmann führt aus, dass sich der von ihm so bezeichnete “Carracci-Kreis” ebenfalls mit diesem Thema auseinandersetzt. Francesco Albani und Lodovico Carracci, deren Gemälde beide an den Anfang des 17 Jh. datiert werden können, wählen dafür allerdings den Moment des Betrachtens von Nymphe und Hermaphrodit. Im Deckenfresko von in der Galeria Farnese, das er Ende des 16 Jh. beginnt, wählt Annibale Carracci den Moment des Verschmelzens der beiden Protagonisten. Das übergeordnete Thema gleicht sich also, allerdings ist bei Liss eine weniger eindeutige und damit auch nicht leicht zuzuordnende Szene dargestellt. Die betrachtende Person wird nicht direkt in das Bildthema eingeführt, sondern muss überlegen und dabei auch das eigene Bildgedächtnis zu Rate ziehen.

Paul Bril, Waldlandschaft mit Wanderern und Wegekreuz, 1604, lavierte Federzeichnung, 18 x 27,1 cm, Musée du Louvre, Paris

Klessmann versucht an dem Gemälde Johann Liss unterschiedliche Einflüsse deutlich zu machen. Dass Liss nicht nur bei der Wahl des Themas oder der Darstellung des nackten Körpers die Bilder anderen Künstler seiner Zeit in den Blick nahm, ist eindeutig. Klessmann bringt die Landschaft der “Badenden Nymphen” mit dem niederländischen Landschaftsmaler Paul Bril in Verbindung. Besonders in der Behandlung des Waldes sieht er Parallelen. Er stellt Bezüge zu Brils frühen, flämischen Stil her, die in dieser Zeichnung deutlich werden. Entstanden ungefähr 20 Jahre vor Liss Gemälde und heute im Louvre aufbewahrt, sind in der Malweise von Blättern und Bäumen Ähnlichkeiten zu Liss eindeutig sichtbar. Klessmann geht davon aus, dass Liss und Bril in Rom zusammentrafen und so auch ein künstlerischer Austausch zustande kam, den Liss in einige seiner Gemälde mit einfließen ließ. Liss gelingt auch in diesem Werk eine Verbindung sowohl nordalpiner, als auch südalpiner Einflüsse bei einem mythologisch nicht klar zu definierenden Thema. 

Exkurs

Cimon und Efigenia, ca. 1625, Öl auf Leinwand, 104,5 x 95 cm, New York, The Metropolitan Museum of Art (Inv. Nr. 1999.121)

Etwa zur gleichen Zeit wie die “Badenden Nymphen” entsteht ein zweites Gemälde von Liss, das große Ähnlichkeiten mit dem hier behandelten aufweist. Unter dem Titel “Nymph and Shepherd” führt es das Metropolitan Museum in New York. Der Eintrag auf der Website gibt an, dass das Bild ebenfalls beschnitten wurde und nun die gleichen Maße wie das Bild der Badenden Nymphen aufweist. Es ist außerdem auch hier eine Zeichnung Aegidius Sadelers erhalten, die den verlorenen Teil des Gemäldes zeigt. Auf dem heute erhaltenen Teil ist prominent eine schlafende Nymphe abgebildet, die von einem vorübergehenden Schäfer betrachtet wird. Durch die Zeichnung kann allerdings noch eine zweite, wache Nymphen im rechten, verlorenen Bildteil rekonstruiert werden. Kompositorisch und in der Behandlung der Natur sind die Parallelen der beiden Gemälde erkennbar. Von Klessmann wird für dieses Werke eine Deutung als Cimon und Efigenia vorgeschlagen, ein Thema aus Boccaccios Decamerone.¹⁰ Das Metropolitan Museum stellt diese Deutung allerdings in Frage, da auch hier einige Inkonsistenzen auffallen.  Eine gemeinsame Betrachtung beider Bilder und Zeichnungen könnte bei der Entschlüsselung der beiden Narrative helfen und die Werke damit in einen neuen Kontext setzen.

Autorin: Paula Schulze 

Endnoten
¹ Klessmann 1999a, S. 159
² Klessmann 1975, S. 100
³ Klessmann 2009, S. 68
Klessmann 2009, S. 68
OVID, METAMORPHOSEN, 4. BUCH, 378-379

WATERMAN, Josh P., Catalogue Entry, 2012, Johann Liss “Nymph and Shepherd” The Metropolitan Museum, New York, https://www.metmuseum.org/art/collection/search/438390 (26.01.2020)
Klessmann 2009, S. 69

Klessmann 2009, S. 67
WATERMAN, Josh P., Catalogue Entry, 2012, Johann Liss “Nymph and Shepherd” The Metropolitan Museum, New York, https://www.metmuseum.org/art/collection/search/438390 (26.01.2020)
¹⁰ Klessmann 1999a, S. 160

Bibliographie

OVID, Metamorphosen, Sammlung Tusculum, hrsg. v. HOLZBERG, Niklas, De Gruyter, Berlin/Boston 2017, Online-Ressourcen, 895 Seiten (pdf)

KLESSMANN, Rüdiger: Johann Liss: Ausstellung unter dem Protektorat der Präsidentin des Deutschen Bundestages Frau Annemarie Renger und des International Council of Museums (ICOM); [Augsburg, im Rathaus vom 2. August – 2. November 1975; Johann Liss Exhibition in the Cleveland Museum of Art, 17. Dezember 1975 – 7. März 1976], Augsburg: Pr.-Dr.-und Verl.-GmbH, 1975

KLESSMANN, Rüdiger: Johann Liss. Eine Monographie mit kritischem Œuvrekatalog, Doornspijk, 1999a.

KLESSMANN, Rüdiger, Neue Funde und Betrachtungen zum Werk von Johann Liss, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 3.F. 60.2009, S. 59-90.

WATERMAN, Josh P., Catalogue Entry, 2012, Johann Liss “Nymph and Shepherd” The Metropolitan Museum, New York, https://www.metmuseum.org/art/collection/search/438390 (26.01.2020)