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Rom
Für einen Maler auf Italienreise war es um 1600 wohl unerlässlich, in das europäische Kunstzentrum Rom zu kommen. So hatte bestimmt auch Johann Liss von den berühmten dort tätigen Malern gehört. Wie kann man sich das damalige Rom eigentlich vorstellen?
Ankunft in Rom
Bei ihrem Eintreffen in Rom war es für Reisende aus dem nördlichen Europa üblich zuerst den Ponte Milvio zu überqueren, danach der Via Flaminia zu folgen, um schließlich durch einen großen Torbogen auf die Piazza del Popolo zu gelangen.¹ Der erste Eindruck muss vor allem für Neuankömmlinge aus dem mittelalterlichen Norden geradezu überwältigend gewesen sein, ähnlich der Bühne eines riesigen Welttheaters.² Innovativ und voller Gegensätze erwies sich die Stadt als aufregende zeitgenössische Kunstmetropole mit kosmopolitischer Bevölkerung.
Rom und Umgebung
Innerhalb der Stadtmauern zeigte sich Rom als pulsierende Kunstmetropole mit kosmopolitischer Bevölkerung. Im äußeren Bereich war die Stadt umgeben von einer Landschaft aus Wein- und Obstgärten. Prunkvolle Villen mit riesigen Parkanlagen und römischen Skulpturen erinnerten an den Glanz der klassischen Antike. Vermutlich erwies sich dieser Kontrast zwischen antikem Glanz und zeitgenössischer Wirklichkeit für die in der Stadt weilenden Künstler als sehr anregend, denn viele von ihnen nutzten die Möglichkeit in den frei zugänglichen Gärten ihre Inspirationen auf Papier und Leinwand festzuhalten.³
Roma Sancta
Unter Papst Sixtus V. (1585-1590), als geistigem Oberhaupt der katholischen Kirche und zugleich absolutistischem Herrscher, kam es bis Ende des 16. Jahrhunderts zu zahlreichen groß angelegten Baumaßnahmen. Der Papst setzte mit voller Tatkraft alles in Gange um Roma Sancta als prachtvollste Stadt zu präsentieren und Pilger aus aller Welt anzulocken. Die Pracht und der Reichtum von Rom sollten der Welt den Triumph des Glaubens symbolisieren.⁴ Allein im Jahr 1600 kamen mehrere Hunderttausend Pilger in die christliche Metropole um auf den schnurgeraden, breiten Straßen der Stadt den Prozessionen folgten. Anfang des 17. Jahrhunderts war Rom zwar nur die viertgrößte Stadt Italiens, rühmte sich aber der weltweit größten Kirchendichte.⁵
Via Flaminia, Giovanni Battista Falda, Gezicht op Rome – Gezicht op Rome | L’arte di rendere i fiumi navigabili, in varij modi, con altre nuove inventioni, e varij altri segreti, 1696, Radierung, h 145mm × w 217mm, Rijksmuseum, Amsterdam
Rom, Ponte Milvio, gekauftes Dia/Foto,Walther, H. (?), aus: Farbdiasammlung, Humboldt-Universität Berlin, Institut für Kunst- und Bildgeschichte, Humboldt-Universität Berlin
Rom 1599, Die sieben Pilgerkirchen, Karte von Giacomo Lauro and Antonio Tempesta, aus Wikimedia Commons
Malernetzwerke in Rom
Am Anfang des 17. Jahrhunderts erreichte die Kunstförderung in Rom ein enormes Ausmaß. So waren die Päpste Paul V. (1605 – 1621), Gregor XV. (1621 – 1623) und Urban VIII. (1623 – 1644) grosse Kunstförderer, zu welchen auch andere kirchliche Würdenträger, wie Kardinäle gehörten. Sie ließen ihre Paläste künstlerisch ausstatten und legten Sammlungen von zeitgenössischen Malern an. In das Wetteifern der kirchlichen Aristokratie, traten auch weltliche Mäzene ein. Dies machte Rom nicht nur zum bedeutendsten Kunstzentrums Italiens, sondern von Europa.¹⁵
Zu diesem Status als Kunstzentrum trugen verschiedene Künstler bei. Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts lassen sich folgende Einflüsse feststellen: mit Caravaggio und Annibale Carracci gab es zwei Protagonisten. 1592 kam Caravaggio nach Rom und 1597 begann Carracci mit der Ausmalung der Decke der Galleria Farnese. Carracci, der Gründer der Akademie der Künste in Bologna, verkörperte die akademische Malerei und folgte den Regeln zur Rezeption der Antike, forderte die Anfertigung von Skizzen und Vorstudien.¹⁶ Ihm gegenüber stand Caravaggio mit seiner naturalistischen und realistischen Malweise, der Vorstudien ablehnte.¹⁷ Neben diesen beiden strömten viele Künstler aus Italien und dem Rest Europas nach Rom, wodurch sich in der Stadt die Einflüsse der italienischen Kunstschulen aus Bologna, Venedig, Florenz und Neapel, sowie der nordeuropäischen Malern aus Flandern, Holland, Deutschland und Frankreich trafen.¹⁸
Die zugezogenen Künstler siedelten in neu entstandenen Stadtvierteln Roms, wie um die Piazza di Spagna, wo sie ihre Künste – Dank päpstlicher Privilegien – steuerfrei ausüben durften.¹⁹ Sie mussten nur einen jährlichen Beitrag an die 1577 gegründete Accademia Romana di San Luca zahlen. Diese galt als oberste Instanz der Künste in Rom, so dass die Künstler von ihrem Urteil abhängig waren.²⁰ Einige Künstler erreichten durch ihre Arbeit eine hohe Wertschätzung bei der römischen Aristokratie, mit deren Hilfe sie den Beitrag an die Accademia vermeiden konnten, wie auch von deren künstlerischen Urteil unabhängig und so ihren eigenen Stil verfolgen konnten.²¹
Parallel mit den Strömen der Künstler ist im 17. Jahrhundert ein Kulturtransfer zwischen den europäischen Ländern festzustellen. Im Kunstmarkt setzten sich die Landschaftsmalerei und Genrebilder durch. Diese waren nicht mit der heimischen italienischen Malerei verbunden, sondern mit der Malerei des Nordens und deren Malern, wie Poussin und Claude Lorrain.²²
Die Kunst aus dem Norden weckte bei den römischen Kunstmäzenen Neugierde und Erkundungswille. Bernardo Bizoni beschrieb die halbjährige Reise von Vincenzo Giustiniani nach Nordeuropa im Jahr 1606. Giustiniani interessierte sich vor allem für die dortigen Maltechniken und an kleinformatigen Kupferbildern, die er in seine Sammlung aufnahm. Kupferbilder fanden sich auch in Inventarlisten anderer römischer aristokratischer Familien. Darunter sind die Namen Aldobrandini, Barberini und Colonna zu nennen, sowie auch der Kardinal Scipione Borghese.²³ Auch der deutsche Maler Adam Elsheimer, der in Rom ein Jahrzehnt lebte, malte kleinformatige Bilder auf Kupfer. Seine meisterlich ausgeführten Landschaftsdarstellungen fanden Anerkennung und wurden von folgenden römischen Malern rezipiert: Carlo Saraceni, Domenico Fetti und Orazio Gentileschi.²⁴
Im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts erreichten die Maler – Bartolomeo Manfredi, Valentin de Boulogne, Nicolas Régnier und Simon Vouet – Rom.²⁵ Caravaggios Werke, wie Wahrsagerinnen, Falschspieler und deren naturalistische Malweise, wurde von ihnen geschätzt und nachgeahmt. Zur Popularität der Werke Caravaggios trug Bartolomeo Manfredi bei, indem er Caravaggio in seiner Malerei, auf seine eigene Art interpretierte. Seine Genrebilder zeigten das einfache Volksleben, dieses Sujet fand grosse Beliebtheit, da es dem Betrachter Spaß bereitete, aber gleichzeitig auch moralisierend wirkte.²⁶
Einige Künstler waren erfolgreich und konnten eine stabile Auftragslage generieren. Darunter Nicolas Régnier, der eine Anstellung bei Vincenco Giustiniani, dem grossen römischen Kunstförderer, erhielt. Er durfte die Räume dessen Palastes neugestalten und dort auch 5 Jahre wohnen.²⁷ Régnier war ein nachweisliches Bindeglied für Johann Liss, bei dessen Aufenthalt in Rom (1622 – 1626), indem er ihn in die lokale Kunstszene einführte.²⁸ Klessmann nennt als Auftraggeber von Liss, den Kardinal Giovanni Battista Pamphili, zukünftiger Papst Innocenz X und vermutlich auch Kardinal Lorenzo Azolino. Azolino und Pamphili kannten einander.²⁹ Beide Künstler verließen schließlich Rom in Richtung Venedig.³⁰
Autorinnen: Katharina Baumstark, Silvia Mordini und Elena Schäfer
Bibliographie
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KREN, Thomas, Chi non vuol Baccho: Roeland van Laerßs burlesque paiting about Dutch artists in Rome, Simiolus: Netherlands Quarterly for the History of Art, Vol. 11, No. 2 (1980), S. 63-80
LANGDORN, Helen, Rom, 1600-1630, in UTRECHT CARAVAGGIO UND EUROPA, Ausst. Kat. München 2019, Hirmer, München 2018
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TACKE, Andreas, Künstlerreisen. Fallbeispiele vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Petersberg 2020.
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SCHULDT, Ludwig, Italienreisen im 17. & 18. Jahrhundert, Wien-München 1959.