Die Biographen von Johann Liss – zu den Quellentexten

Joachim von Sandrart (1606-1688) und seine Teutsche Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste, Nürnberg 1675/1679/1680

„Bildung durch Kunst“ sowie die Hoffnung auf eine friedensstabilisierende Wirkung durch die Beschäftigung mit Kunst waren das hohen Ziele, die Sandrart mit der Verfassung der Teutschen Academie anstrebte.¹

Geboren 1606 in Frankfurt a. M., reiste er nach seiner Ausbildung zum Kupferstecher und Maler nach Italien (Rom und Venedig), von wo er 1635, mitten im Dreißigjährigen Krieg, nach Frankfurt zurückkehrte. 1637 floh er vor den Schrecken des Krieges nach Amsterdam, wo er bis 1645 blieb. Nach Deutschland zurückgekehrt, begann er mit den Arbeiten an der Teutschen Academie.²

Die Academie sollte dabei helfen, dem zersplitterten deutschen Sprachraum zu einer nationalen Identität im Bereich der Künste zu verhelfen. Dabei ging es ihm jedoch weniger um die Darstellung einer nationalen deutschen Kunst, sondern vor allem um ein deutschsprachiges Werk über Kunst. Mit der Wahl des Titels sollte die Buchform einer Akademie einem virtuellen Kreis von „Akademikern“ als Grundlage dienen.³

Darüber hinaus war Sandrart auch an der Gründung der Akademien in Nürnberg (1662) und Augsburg (1670) beteiligt. Schon in Rom hatte er die zunehmende Akademisierung der Künste kennengelernt. In seiner Teutschen Academie schuf er mit den Viten Modelle, an denen sich Künstler orientieren konnten, mit den Kupferstichen Vorlagen zum Nachzeichnen und mit den Lehrschriften bot er zeitgenössischen und zukünftigen Künstlern Regeln für die Erschaffung von Kunst an. So konnten sich Künstler, ohne auf eine beschwerliche und gefährliche Reise gehen zu müssen, die berühmten Maler und Bildhauer zum Vorbild nehmen und anhand von Sandrarts Kupferstichen an Kopien von antiken Kunstwerken üben. Er beließ es jedoch nicht bei den berühmten italienischen Meistern, die auch Vasari genannt hatte, sondern nahm auch etliche zeitgenössische deutsche Künstler auf. 

In drei Bänden schuf Sandrart so eine erste umfassende Kunstgeschichte und auch ein erstes Lehrbuch für Künstler in deutscher Sprache. Er wollte damit jedoch nicht nur Künstler ansprechen, sondern auch Kunstliebhaber und Kunstsammler, um Grundlagen für die Begutachtung von Kunstwerken und Fachwissen für gelehrte Gespräche zu vermitteln. Sandrarts Werk unterscheidet sich schon allein in Form und Umfang von den in der Regel kleinformatigen und dünnen Kunstbüchlein und Traktaten des 16. und 17. Jahrhunderts.

Als Chronist des Jahrhunderts beobachtete er das Künstlerschaffen und kommentierte es. Der Dreißigjährige Krieg hatte auch auf die Bildenden Künste verheerende Auswirkungen und regte Sandrart dazu an, eine deutsche bzw. europäisch geprägte Kunstschule zu entwickeln. In der Teutschen Academie trug er alles zusammen, was seiner Meinung nach für eine neue Entwicklung der Künste in Deutschland erforderlich war.

Besonders berühmt sind die Bände jedoch für die Viten, die Sandrart von italienischen, niederländischen, deutschen und französischen Künstlern nach dem Vorbild Giorgio Vasaris erstellte und die er teilweise selbst kennengelernt hatte.¹⁰ Seine Künstlerbiographien haben einen hohen Wert für die Forschung, da sie in vielen Fällen die einzigen Quellen zu den Künstlern sind.

Sandrarts Biographien orientieren sich häufig an Karel van Manders Schilder-Boeck von 1604, der sein Werk unter den verstörenden Eindrücken der niederländischen Bilderstürme fertigte.¹¹ Sandrart kopierte seinen Haarlemer Kollegen aber nicht nur, sondern ließ auch Teile aus bzw. ergänzte sie. Manchmal erstreckt sich der Eintrag zu einem Künstler nur über wenige Zeilen, dennoch ist dieses Wenige oft der einzig überlieferte Hinweis zum Leben und Schaffen eines Künstlers.

Nach den gewaltsamen Religionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts schrieb Sandrart kaum über die Konfessionen seiner dargestellten Künstler. Dennoch sprach er sich klar für kirchliche Kunst aus und lehnte sich auch darin an van Mander an. Seine eigene calvinistische Einstellung lässt sich erkennen, wenn er darauf hinweist, dass Bilder nicht angebetet werden sollen.¹² Stattdessen ging es Sandrart um „eine Erneuerung der deutschen Kunst, die er als eine europäische Malerei in deutscher Ausprägung definierte“.¹³

Viele Einträge, in denen Sandrart von Karel van Mander abweicht, basieren auf seinen persönlichen Kontakten zu Künstlern. So wird z.B. Johann Liss (bzw. Lys) in seinem Kapitel als einziger namentlich in der Überschrift und an erster Stelle von insgesamt 40 Künstlern genannt, er hat zudem den längsten Eintrag. Man muss beim Lesen beachten, dass es sich bei Viten prinzipiell um konstruierte Bilder der Biographen handelt. Dennoch befindet Klessmann: „Sandrarts Zuverlässigkeit wird oft – wir meinen zu Unrecht – bezweifelt, aber hier dürfen wir ihn gewiß beim Wort nehmen, da er sich auf seine eigenen Erfahrungen stützen konnte und nicht auf fremde Quellen angewiesen war.“¹⁴

Arnold Houbraken (1660-1719) De groote schouburgh der Nederlantsche konstschilders en schilderessen, 1718–19

Arnold Houbraken, geboren 1660 in Dordrecht, war ein holländischer Maler und Kunstschriftsteller. Ab 1672 war er Lehrling bei Willem van Drielenburch und 1673 bei Jacobus Levecq. Von 1674 bis 1678 arbeitete er unter Samuel van Hoogstraten. 1678 wurde er Mitglied der St. Lukas-Gilde von Dordrecht. Ab ca. 1709 lebte er, gefördert von seinem Mäzen Jonas Witsen, in Amsterdam. Nach dessen Tod war er darauf angewiesen, für Buchhändler zu zeichnen. 1713 ging er für acht Monate nach England. Er starb 1719 in Amsterdam.¹⁵

Bekannt ist er vor allem für seine Große Schouburgh, mit der er 1715 begann. In ihr nahm er alle Nachrichten über zeitgenössische und verstorbene Künstler auf, allerdings oft, ohne ihre Glaubwürdigkeit geprüft zu haben. Sie besteht aus 3 Bände mit etwa 530 Biografien, bei denen die Künstler nach Geburtsjahr geordnet wurden (vor 1613, 1613-1635, 1635-1659). Da von vielen Künstlern das Geburtsjahr nicht bekannt war, wurden sie oft willkürlich zugeordnet.¹⁶

Das Werk wurde wie Sandrarts Teutscher Academie als Fortsetzung von Karel van Manders Schilder-Boeck von 1604 geplant. Im Gegensatz zu Sandrart konzentrierte sich Houbraken jedoch auf die niederländischen Künstler. Deren Lebensumstände gab er in der Regel so weiter, wie er sie gehört oder gelesen hatte. Houbraken nannte immer seine Quellen und korrigierte sich auch selbst, wenn er im Verlauf des Buches einen Fehler bemerkte.¹⁷

Houbraken plante im Gegensatz zu Sandrart keine „Akademie“, sondern wollte die ihm bekannten Erzählungen sammeln und wiedergeben. Kurze Abschnitte unterbrechen die Biografien, in denen Houbraken didaktische Erklärungen über kunsttheoretische Probleme einstreut oder beispielsweise über die Problematik schreibt, ein Buch herauszugeben und somit Themen aufgreift, die nichts mit der eigentlichen Thematik des Werkes zu tun haben.¹⁸ Auch hier liegt ein großer Unterschied zur Teutschen Academie

Positiv kann bemerkt werden, dass er grundsätzlich über große Sachkenntnis verfügte und einige unsignierte Gemälde Künstlern zuschrieb, was sich später als korrekt erwies. Künstler, sofern sie ihm bekannt waren, charakterisierte er ausführlich. Andere Künstler blieben unverständlicherweise unerwähnt, so wie Johannes Vermeer.¹⁹

Houbrakens Tod 1719 verhinderte, dass er selbst den 3. Band abschließen konnte. Sein Sohn Jacobus vollendete mit der Hilfe von Houbrakens Frau das Werk, und er war es auch, der die Kupferstiche darin anfertigte.²⁰ Das Werk ist bis ins 19. Jahrhundert ein wichtiges Nachschlagewerk zur niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts bekannt.²¹ Es vermag, trotz inhaltlicher Fehler, ein reiches Bild des Künstlerlebens im Holland des Goldenen Zeitalters zu vermitteln.²²

Autorin: Sabine Brandenburg

Endnoten
¹ Schreurs 2012, S. 21
² Posselt 2012, S. 139
³ Schreurs 2012, S. 23-24
Ebd., S. 22
Herz 2012, S. 33

 Schreurs 2012, S. 23
 Ebs., S. 23-24
Meurer 2012, S. 114
 Schreurs 2012, S. 21-23
¹⁰ Ebs., S. 21

¹¹ Meier 2012, S. 55
¹² Ebd., S. 55f
¹³ Schreurs 2012, S. 28
¹⁴ Klessmann 1999, S. 11
¹⁵ Hofstede de Groot 1883, S. 1-17

¹⁶ Hofstede de Groot 1883, S. 37-44
¹⁷ Hecht 1996, S. 261
¹⁸ Hofstede de Groot 1883, S. 44
¹⁹ Cornelius 1998, S. 147ff
²⁰ Hofstede de Groot 1883, S. 17

²¹ Cornelius 1998, S. 161
²² Hecht 1996, S. 274

Bibliographie

Ausst. Kat. Wolfenbüttel: Unter Minervas Schutz. Bildung durch Kunst in Joachim von Sandrarts Teutscher Academie, hrsg. v. SCHREURS, Anna, unter Mitw. v. KLEINBECK, Julia, OTT, Carolin, u.a., Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut Florenz, Wiesbaden 2012.

CORNELIS, Bart, Arnold Houbraken’s „Groote Schouburgh“ and the Canon of Seventeenth-Century Dutch Painting, in: Simiolus. Netherlands Quarterly for the History of Art, Bd. 26, 3 (1998), S. 144-161.

HECHT, Peter, Browsing in Houbraken. Developing a Fancy for an Underestimated Author, in: Simiolus. Netherlands Quarterly for the History of Art, Bd. 24, 2/3 (1996), S. 259-274.

HERZ, Andreas, „Der Gemeinnützige“. Joachim von Sandrart und die Fruchtbringende Gesellschaft, in: Ausst. Kat. Wolfenbüttel: Unter Minervas Schutz. Bildung durch Kunst in Joachim von Sandrarts Teutscher Academie, hrsg. v. SCHREURS, Anna, unter Mitw. v. KLEINBECK, Julia, OTT, Carolin, u.a., Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut Florenz, Wiesbaden 2012, S. 33-42.

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Houbraken, Arnold [Hrsg.], Grosse Schouburgh der niederländischen Maler und Malerinnen: I. Band: Übersetzung des Textes nebst drei Inhalts-Verzeichnissen. Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Band 14, Wien, 1880, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/qkkmr14/0110 (31.10.2020).

KLESSMANN, Rüdiger, Johann Liss. Eine Monographie mit kritischem Œuvrekatalog, Doornspijk 1999.

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MEURER, Susanne, Zu Herstellung, Vermarktung und Verkauf der Teutschen Academie, in: Ausst. Kat. Wolfenbüttel: Unter Minervas Schutz. Bildung durch Kunst in Joachim von Sandrarts Teutscher Academie, hrsg. v. SCHREURS, Anna, unter Mitw. v. KLEINBECK, Julia, OTT, Carolin, u.a., Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut Florenz, Wiesbaden 2012, S. 113-122.

POSSELT, Christina, „Nach diesem verließ unser H. von Sandrart das Contrafät-mahlen/ und bliebe bey den großen Historien“. Sandrarts Umgang mit dem Porträt, in: Ausst. Kat. Wolfenbüttel: Unter Minervas Schutz. Bildung durch Kunst in Joachim von Sandrarts Teutscher Academie, hrsg. v. SCHREURS, Anna, unter Mitw. v. KLEINBECK, Julia, OTT, Carolin, u.a., Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut Florenz, Wiesbaden 2012, S. 43-54.

SANDRART, Joachim von, Teutsche Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste [Nürnberg 1675/1679/1680], wissenschaftlich kommentierte Online-Edition, hrsg. v. KIRCHNER, Thomas, NOVA, Alessandro, BLÜM, Carsten, SCHREURS, Anna und WÜBBENA, Thorsten, 2008–2012, www. sandrart.net, (31.10.2020).

SCHREURS, Anna, Joachim von Sandrart, „den Kunstliebenden zu Dienste“. Eine Einführung, in: Ausst. Kat. Wolfenbüttel: Unter Minervas Schutz. Bildung durch Kunst in Joachim von Sandrarts Teutscher Academie, hrsg. v. SCHREURS, Anna, unter Mitw. v. KLEINBECK, Julia, OTT, Carolin, u.a., Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut Florenz, Wiesbaden 2012, S. 21-32.